Vis-a-vis auf der anderen Elbseite lag der Marinesegler 14 Tage lang auf der Norderwerft zu einer Inspektion mit kleineren Reparaturen und einer Sicherheitsprüfung. Ein normaler TÜV, sozusagen. „Wir nutzten unseren Besuch im Hamburger Hafen, um Besucher auf das Ausbildungsschiff einzuladen,“ erklärt Fregattenkapitän Elmar Bornkessel, der das Schiff erst seit Juli 2024 führt. An diesem Freitagmorgen stellt er sich bei „Open Ship“ den Fragen der Journalisten: Was sind die nächsten Auslandsreisen? „Wir planen schon für das Jahr 2026“, schaut der Kommandeur voraus. Von April bis August 2026 wird es eine große Reise in die USA geben. Zur Feier des 250. Independence Day der USA in New York City. Er selbst war in Vorjahren in verschiedenen Verwendungen auf dem Schiff: Als Segel- und Divisionsoffizier, als Erster Offizier und Vertreter des Kommandanten. Schließlich wurde er 2018 bis 2021 Kommandant der Besatzung Delta auf den beiden Fregatten der Klasse 125 „Sachsen-Anhalt“ und abschließend „Nordrhein-Westfalen“. „Aber es ist eine besondere Ehre, jetzt dieses Schiff als Kommandant führen zu dürfen.“ Bornkessel legt hohen Wert auf die Tatsache, dass er auch auf den „grauen Schiffen“ in seiner Berufslaufbahn „gedient“ hat. Denn eine reine Gorch-Fock-Karriere wolle man in der Deutschen Marine nicht.
Die eigentliche Aufgabe der Gorch Fock liegt aber bekanntlich in der Ausbildung von Offiziersanwärtern auf See. Eine anspruchsvolle Aufgabe, die von der gesamten 83-köpfigen Stammbesatzung erbracht wird. Sechs Wochen lang sind die Kandidatinnen und Kandidaten laut Oberleutnant zur See Weber „eingeschifft“: „Achtzig, manchmal 100 pro Turn“. Wenn es viele sind, zählt man auf dem Schiff um die 240 gesamt. Bereits ein Jahr lang leistet Frau Weber Dienst an Bord des Schulschiffes. Sechs Jahre lang hat sie eine vielschichtige Ausbildung hinter sich gebracht. Und doch: „Man hört nie auf zu lernen“, sagt sie. Sie fühlt sich hier offensichtlich ganz zu Hause: „Wir schlafen an Bord“, sagt sie auf Nachfrage eines Journalisten, ob sie in Hamburg ein Hotel bezogen hat. „Hier ist quasi unser Hotel.“
„Hoch auf die Back“ befiehlt Fähnrich zur See Müller den Presseleuten, einer der Nautiker auf der Bark. Unter einem Decksteil befindet sich die Kombüse, sodass man ab und an hier schon riechen kann, was bei der nächsten Mahlzeit aufgetischt wird. Im vorderen Teil des Schiffes befinden sich die Steuerbord- und Backbord-Anker, auf dem Mitteldeck die Schiffsglocke, die nach wie vor durch das „Glasen“ die Zeiten zur vollen und halben Stunde angibt. Zwei Rettungsboote sind für einen schnellen Einsatz direkt auf Deck. „Die können zu Wasser gelassen werden, falls mal einer über Bord fällt“, erklärt Offizierin Weber, „aber das ist noch nicht vorgekommen.“
Dann führt sie zum „Schneewittchensarg“: Unter einer gewölbten Plexiglasscheibe lassen sich fast alle grundlegenden Informationen für die Fahrt des Schiffes abrufen. Hier zieht es ordentlich, denn Wind und Wetter machen ihr eigenes Ding. „Wir stehen immer draußen“, zeigt sich Frau Oberleutnant standhaft.
Nach dem Wochenend-Besuch in Hamburg vor der Silhouette der Elbphilharmonie verließ der „Weiße Schwan“ die Elbmetropole wieder. Nächstes Ziel: Über die Nordsee nach Cuxhaven. Auf dem dann avisierten Turn sollen sich Kadettinnen und Kadetten wiederum in der Nordsee an starke Winde gewöhnen. Ganz nach dem Motto: Die beste Schule ist die rauhe See.
Europäische Sicherheit & Technik
Von Roger Töpelmann
Die Deutsche Luftwaffe kann sich sehen lassen. Wer das Glück hat, als Zivilist einmal vom Regierungsflughafen Berlin aus mit einer Militärmaschine zu fliegen, wird schon am Gate freundlich willkommen geheißen. Nach kurzen Checks schon geht es zu Fuß aufs Rollfeld, wo eine grauer Airbus A321-LR wartet. Über die Einstiegsbrücke in den Flieger, empfängt die Journalisten eine hoch motivierte Crew. Soldatinnen wie Soldaten leisten hier einen fliegerischen Dienst der Extra-Klasse: Eine volle Mahlzeit auf dem 90-minütigen Flug nach Vilnius – Getränke ausschließlich ohne Alkohol. „Unsere Ausbildung haben wir bei der Lufthansa gemacht“, sagt eine der Soldatinnen, wobei die Nähe zum größten deutschen Flug-Carrier schon am Catering aus Lufthansa-Küchen zu erkennen ist. Zum Fliegen mit der Maschine sagte kürzlich Ingo Gerhartz, Generalinspekteur der Luftwaffe: „Military Business Class“.
Beim Höhepunkt und gleichzeitig dem Abschluss der Übungsreihe Grand Quadriga 24 im litauischen Pabrade Ende Mai gingen die Planer von diesem Szenario aus: Die NATO verteidigt ihr Bündnisgebiet nach Artikel 5 des Vertrages der Militärallianz: 1.200 Soldatinnen und Soldaten der Panzerbrigade 12 von der 10. Panzerdivision und aus weiteren Ländern stellen sich mit 600 Fahrzeugen dem Gegner entgegen. Doch die Maßnahmen zur Abschreckung haben nicht gewirkt. Litauen wurde angegriffen und somit auch das Gebiet der NATO. Entlang der Grenze hat der Gegner immer mehr Fahrzeuge aufgefahren und seine Kampftruppen vorstationiert. So stellt sich die militärische Lage dar, mit der sich der multinationale Gefechtsverband auf dem Übungsplatz in Pabrade, etwa 12 Kilometer von der belarussischen Grenze entfernt, konfrontiert sieht.
Mit Steadfast Defender 24 trainierte das Militärbündnis bereits fünf Monate lang die Verlegung großer Truppenteile. Vor allem an die Ostflanke der Nato. Luft- und Seestreitkräfte wurden mobilisiert: Insgesamt bis zu 90.000 Soldaten zu Land, zu See und in der Luft.
Am Ende stand Quadriga 2024 eine multinationale Militärdemonstration mit Drohpotential: Die Allianzpartner USA, Niederlande, Frankreich bildeten ihren Kern. Norwegen, Litauen und Großbritannien beteiligten sich. Bis zu 12.000 Soldatinnen und Soldaten unterstrichen die klare Warnung an die russische Seite. Mehr noch: „Quadriga wird es jetzt jedes Jahr geben“, so ein beteiligter Oberst. Es würden jeweils andere Schwerpunkte gesetzt. Bis 2027 soll die deutsche Brigade voll einsatzfähig sein.
Train and resist
Im litauischen Trainings-Center Pabrade sind im Vergleich zu einem Besuch vor zwei Jahren neue Stabsgebäude entstanden, ein 20 Meter hoher Beobachtungsturm und fest gebaute Unterkünfte. Hier standen früher nur Zelte. Besatzungen von Panzerzügen, Kampfpanzern, Pioniere und hunderte Soldaten halten sich nun in den Gebäuden auf.
Auch für Journalisten galt „absitzen“ vom Fahrzeug. Begrüßung im Pressezelt durch den litauischen Kompaniechef mit einem „Warm welcome to Pabrade“. Umwerfend, in welchem Tempo die litauische Seite in so kurzer Zeit nahe der Landesgrenze zu Belarus das Areal ausgebaut hat. Eingeladen hatte das Presse- und Informationszentrum Heer in Strausberg. Insofern eine vorbildliche Aktion, weil das Manövergelände alle Möglichkeiten der Demonstration bereithält.
An die zehntausend Bundeswehrangehörige mit 3000 Fahrzeugen und 30 Luftfahrzeugen waren an den vier Teilübungen von Quadriga 24 beteiligt. Der Titel wurde in Anspielung auf die Quadriga auf dem Brandenburger Tor Berlin als Symbol für Freiheit gewählt. Von Deutschland aus verlegen sie quer durch Europa an die östlichen Grenzen des NATO-Territoriums. „Es geht hier unter anderem auch um die Überprüfung logistischer Konzepte: Ob wir in der Lage sind, Truppen schnell im ganzen Bündnisgebiet zu verlegen“, sagt Oberst i. G. Dirk Hamann, der Leiter des Übungsreferates im Kommando des Heeres. „Das fängt an in Nordnorwegen, geht dann über Zentraleuropa mit Polen und Litauen und schließlich über Ungarn und Rumänien.“
Die Verteidigung des Nato-Gebietes ist nicht neu. Das gefährlichste Jahr im „Kalten Krieg“ war 1983. Damals wurde für einen atomaren Krieg realitätsnah geübt. Sowjetische Militärs waren überzeugt, dass ein Atomschlag der USA bevorstehe. Sie gaben auch für die sowjetischen Truppen in Polen und Ostdeutschland Alarm. Die westlichen Pershing-II-Raketen mit Atomsprengköpfen waren einsatzbereit. Vor 41 Jahren blickte die Welt in einen Abgrund, weil beide Seiten einen militärischen Erstschlag befürchteten. Die Nato startete mit Truppenverlegungen ein großes Manöver REFORGER (Return of Forces to Germany). Doch zum Glück funktionierte die militärische Abschreckung - für beide Seiten.
Die Zeitschrift Wehrtechnik II/2024 ging nochmals ausführlich auf die Münchner Sicherheitskondferenz (MSC) ein. Die weltweit höchst beachtete Zusammenkunft von Politikern und Politikerinnen, Militärs und Rüstungsexperten - Journalisten werden hier nur restriktiv zugelassen - sah nur eine wage Zukunft für das Ende des Palästina-Kriegs und des russischen Angriffkriegs auf die Ukraine. Dennoch: Gespräche dürfen nicht abreißen. Kritisch lässt sich feststellen: Die Religionen - allen voran die Kirchen auf allen Kontinenten - spielen bei der Lösung der Konflikte praktisch keine Rolle mehr.
Die MSC zeichnet sich immer neu durch Reaktionsfähigkeit aus: In einem kurzen Appell sprach überraschend die Ehefrau des im Straflager verstorbenen Regimekritikers Alexei Nawalny, Julija Nawalnaja: „Ich möchte die internationale Gemeinschaft aufrufen, gegen das Regime zu kämpfen, das heute in Russland herrscht.“ Sie war kurzfristig nach dem überraschenden Tod ihres Mannes zur Konferenz gekommen. Nach ihrem Aufruf erhoben sich die Zuhörer von ihren Plätzen und applaudierten für ihre Courage und unerschütterlichen Überzeugungen.
Die Tagespost 22.Februar 2024
In der Bundesregierung steht Boris Pistorius für Klarheit und Verlässlichkeit. Der beliebte Verteidigungsminister bekannte sich uneingeschränkt zu Israel: „We stand by Israel“, sagte er. Das bedeute für Frieden einzustehen und für eine internationale Ordnung. Zu Russland stellte er die Frage, ob „wir einer imperialistischen Macht erlauben, einen souveränen Staat anzugreifen.“ „Wir haben die Verantwortung und den Willen, eine richtige Antwort zu geben.“
Olena Legenchuk ist eine bescheidene Persönlichkeit. Sie will einfach helfen. Bei der 22. Ostseeanrainerkonferenz der Evangelischen Militärseelsorgen 2023 in Gdynia bei Danzig hatte sie einen Auftritt, der von Teilnehmenden als höchst eindrucksvoll bezeichnet wurde. Die Mittvierzigerin sprach von ihren Fronterfahrungen in der Ukraine und ihrer Begleitung von Soldaten der ukrainischen Streitkräfte. Sie nennt sich „Chaplan des Freiwilligenkorps der Militärseelsorger des Christlichen Heilsdienstes“. Die nicht ganz exakte Übersetzung aus dem Ukrainischen bedeutetet: Frau Legenchuk ist eine seelsorgende Begleiterin der Soldaten und das seit Juli 2022. Der Evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg (Berlin) unterstrich in Gdynia die Kraft des Gebets und zeigte sich von der Tätigkeit der Seelsorgerin an der Front beeindruckt.
In einer Stellungnahme für IDEA beschreibt die Ukrainerin ihr hohes Engagement im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: „Seit dem 24. Februar 2022 - dem Kriegsbeginn - suche ich nach einer Möglichkeit, meinem Volk und der Armee zu helfen.“ Ehrenamtlich sammelte sie Ausrüstung, Kleidung, Schuhe und militärische Ausrüstung, wobei sie die militärischen Mittel nicht näher beschrieb
Zurück in der Ukraine brachte sie das basisnahe Hilfsprojekt an den Start. Andere Seelsorger boten an, sie an die Front zu begleiten. „Ich wollte diejenigen sehen, denen ich half.“ Diese erste Reise war entscheidend. „Denn ich kam sofort bei „Null“ an und dort wurde mir klar, dass das Militär dringend emotionale und spirituelle Unterstützung braucht“, beschreibt sie ihre Mission. Erste Eindrücke hätte sie an Frontlinien nahe der Stadt Mariupol gewonnen. Bis heute werde jede Mission genau geplant: „Wir verhandeln mit den Teams, legen die Route fest und suchen nach „Geschenken“ für das Militär: Von Essen bis zur Technik.
Dass es bei den Soldaten um höchst persönliche Zuwendung geht, lässt sich denken. Denn dort, wo gekämpft wird, geht es um Leben, Verwundung oder Tod. „Wenn wir an die Front kommen, predigen wir das Wort Gottes, teilen die Kommunion aus, nehmen die Beichte ab, sprechen Gebete und führen sogar Wassertaufen durch“, sagt Legenchuk. Oft sei aber auch gar keine Zeit für lange Gespräche, weil das Kriegsgeschehen die Situation stündlich ändern könne. Die Aktivistin berichtet auf der Ostseeanrainerkonferenz von einem gefangenen genommenen russischen Soldaten, der in einem Beichtgespräch bereute, was er getan habe.
In der Ukraine lernte die Ehrenamtlerin ein Team von Seelsorgern kennen, die bereits als Soldaten an die Front gegangen waren. Sie erzählten mir von der Idee, eine mobile Zahnmedizin für das Militär an der Front zu schaffen. „Diese Idee gefiel mir sehr und ich wollte ihnen helfen“, erklärt sie ihr Engagement. Für die Realisierung sei sie für 5 Wochen in die USA geflogen, habe in ihrem eigentlichen Beruf als Fotografin gearbeitet und in Kirchengemeinden für ihr Hilfsprojekt geworben: Ein „Dentomobil“, ein kleiner Bus, in dem sich Soldaten ihre Zähne reparieren lassen können. Die benötigte Geldsumme sei zusammengekommen und sie habe Leute kennengelernt, die bei der Umsetzung des Projekts weitere Hilfe anboten.
Für einen Einsatz legt das Team jeweils etwa 2.000 km zurück und eine Reise dauert 4-6 Tage. Mehrere Standorte, verschiedene Einheiten, Kompanien, Brigaden werden angefahren. „Wir haben zwei Arten von Missionen. Viermal im Monat gehen wir mit mobiler Zahnmedizin an die Front und behandeln die im Kriegsgebiet verbliebene Militärs sowie die Zivilbevölkerung. Während des jetzt sechsmonatigen Betriebs des Dentomobils haben wir mehr als 600 Militärangehörigen Hilfe geleistet.“ 30.000 km entlang der gesamten Frontlinie legten die Helfer in Gottes Namen zurück. Auch finanziell kommen sie wohl über die Runden, denn sämtliche Mittel zur Sicherstellung des Betriebs der mobilen Zahnarztpraxis erhalten sie aus gemeinnützigen Spenden. Immer mal wieder wird es finanziell eng. „Aber jedes Mal setzt Gott die Möglichkeit unserer Arbeit fort“, sagt Legenchuk in vollem Gottvertrauen.
Mittlerweile nutzt die Seelsorgerin auch die sozialen Netzwerke: Online-Predigten für die Armeeangehörigen und ihre Familien gibt es zweimal pro Woche, viele praktische Ratschläge und wenigstens fünf Videokonsultationen pro Tag. Wenn ich nicht an vorderster Front bin, führe ich mit Militärangehörigen im Kampfgebiet Gespräche. Sehr wichtig sei ihr, dass die Soldaten das Lesen der Bibel lernen und sie ihnen Ratschläge zum Aufbau ihrer eigenen Beziehung zu Gott geben könne.
Zuletzt kommt Legenchuck doch noch darauf zu sprechen, was Soldaten in ihren Augen auch sind: Menschen die ein tödliches Kriegshandwerk ausüben: „Meine Aufgabe ist es, den Geist des Kriegers zu unterstützen, ihn an die Liebe Gottes zu erinnern und daran, dass seine Arbeit für die ganze Nation sehr wichtig ist.“ Fotos: Legenchuk
Fast 400 Rekrutinnen und Rekruten der Bundeswehr legten am 20. Juli auf dem Paradeplatz des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) in Berlin bei einem feierlichen Appell am 79. Jahrestag des Attentats und Umsturzversuchs auf Hitler im Jahr 1944 ihr Gelöbnis ab, mit dem sie öffentlich versichern, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“.
Erstmals hielt Verteidigungsminister Boris Pistorius die Gelöbnisansprache, in der er sagte, das Attentat vom 20. Juli und die Operation „Walküre“ seien zwar gescheitert, doch die Offiziere hätten versucht, Deutschland von der Willkür des Nationalsozialismus zu befreien. „Sie folgten dabei ihrem Gewissen“, sagte der Minister. Die Soldaten heute stünden in einem System von Befehl und Gehorsam, aber sie wüssten zugleich, Gehorsam finde seine Grenze im Gewissen…“ „Ich wünsche Ihnen für ihren Dienst an unserem Land und für Ihre Laufbahn in der Bundeswehr von ganzem Herzen allzeit Soldatenglück!“ Man hörte in seinen Worten einen neuen Zungenschlag: Wehrhaftigkeit und Abschreckung.
"Aber wir haben ja unsere Bundeswehr"
Als Ehrengast sprach anschließend Gräfin Konstanze von Schulthess-Rechberg, die jüngste Tochter Claus Graf Schenk von Stauffenbergs, die ihren Vater nie kennengelernt hat, weil sie erst ein halbes Jahr nach der Exekution ihres Vaters geboren wurde. Die jüngste Tochter von Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg wurde in einem nationalsozialistischen Entbindungsheim in Frankfurt/Oder geboren, wo ihre Mutter aus dem Konzentrationslager Ravensbrück zur Geburt gebracht worden war. Sie lebt heute in Zürich. In ihrer Ehrenrede sagte die Katholikin: Seit 78 Jahren lebe Deutschland im Frieden, wenn man auch mit Sorgen in Richtung Osten blicken müsse. „Aber wir haben ja unsere Bundeswehr, auf die wir zählen können und auf die wir vertrauen.“
„Hinterm Horizont geht’s weiter“, der Song von Udo Lindenberg blickte symbolisch über ein ganzes Leben als Soldat: Generalinspekteur Eberhard Zorn nahm seinen Abschied. Zorn hatte das Lied als eines von den drei Musikstücken ausgewählt, die er zum Großen Zapfenstreich zu seinen Ehren an seinem Dienstende auswählen durfte. Der Saarländer hat eine Dienstzeit von vier Jahrzehnten in der Bundeswehr mit einem weiten Horizont hinter sich: Seine Laufbahn begann 1978 in der Artillerieschule Idar-Oberstein, setzte sich in einer französischen und deutschen Generalstabsausbildung fort. Auslandseinsätze folgten auf dem Balkan. Herausragend seine Verwendung als Kommandeur der Luftlandebrigade 26 „Saarland“ in Saarlouis und 2014/15 der Division Schnelle Kräfte in Stadtallendorf. 2018 berief ihn Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zum 16. Generalinspekteur (GI) der Bundeswehr. Erlebt hat Zorn den Wandel der Bundeswehr vom Kalten Krieg über die Annäherung von Ost und West nach dem Ende der Teilung Deutschlands bis hin zur Einsatzarmee in Afghanistan oder an der Nato-Ostflanke. Eine „erfolgreiche Laufbahn in der Bundeswehr“ nannte es Verteidigungsminister Boris Pistorius bei der Verabschiedung zu Recht.
Auf dem Paradeplatz des Bendlerblocks in Berlin stand der erste Offizier der Bundeswehr nun auf einem kleinen roten Podest. Gemeinsam mit seinem Nachfolger Carsten Breuer und dem neuen Minister Pistorius, der ihn aus dem Amt entlassen hat. Zorn bewahrte bei Nieselregen und Aprilkälte vor den Soldaten und Soldatinnen des Wachbataillons Haltung. Ihm war es in seiner Amtszeit seit 2018 herausragend gelungen, echte Nähe zur Truppe zu finden, ihren Alltag zu verstehen und mit klarer Sprache Versäumnisse und Mängel zu benennen. Als „Saarländische Gelassenheit“ hatte Pistorius die Art des Vier-Sterne-Generals bezeichnet. Aber es ist weit mehr: eine klare soldatische Haltung. Zorn hat angekündigt, künftig nicht in Talkshows aufzutreten wie mancher seiner Vorgänger. Auch wolle er nicht Mandate in der EU oder in der Industrie übernehmen. Kameradschaft will gelebt sein, so sein Diktum.
Der Große Zapfenstreich begann als feierliches Abendzeremoniell mit dem Einzug von Fackelträgern in Marineuniform, die wie an einer „Perlenkette“ aufgereiht auf dem Paradeplatz aufmarschierten. Kurz darauf folgte das Wachbataillon – in Berlin hat es übrigens eine Sollstärke von 1.000 Mann – mit seinen Soldatinnen und Soldaten. Zuletzt zog das Stabsmusikkorps mit Spielmannszug ein, das von Oberstleutnant Reinhard Kiauka dirigiert wurde. Nach dem Kommando „Großer Zapfenstreich – stillgestanden“ folgte der Marsch des Yorckschen Korps und die Meldung des zu Ehrenden. Zur darauffolgenden Serenade hatten Zorn und seine Frau drei Musikstücke ausgewählt: der Song von Udo Lindenberg, Gabriel’s Oboe von Ennio Morricone und The Final Countdown von der Band Europe, in dem es soldatisch nüchtern heißt: „We are leavin together – it‘s the final countdown.
Zorns großes Verdienst ist, die Aufgaben der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung zurückgeführt zu haben. In einem Tagesbefehl vom 1. März 2022 umreißt der Generalinspekteur die militärische Kontur: „Wir leben in Zeiten des weltpolitischen Umbruchs. Der rücksichtslose Angriffskrieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine hat eine neue Realität geschaffen, die unsere Gesellschaft und auch die Bundeswehr tiefgreifend verändern wird.“ Auf den Bruch des Völkerrechts habe die transatlantische Wertegemeinschaft geschlossen reagiert: Neben den Wirtschaftssanktionen seien eine Aktivierung der regionalen Verteidigungspläne erfolgt und entlang der Ostflanke wurde insbesondere die Verlegebereitschaft für die „NATO Response Force“ erheblich verkürzt worden. Erste Einheiten werden in Kürze verlegt.
Großer Zapfenstreich zu Ehren des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, General a.D. Eberhard Zorn, im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin, am 17.04.2023.
Dann nennt er die die Aufstockung der „Enhanced Forward Presence Battlegroup“ um rund 350 Soldatinnen und Soldaten in Litauen und das Engagement mit Eurofightern im „Air Policing South“. Auch sei der ständige maritimem Einsatzverband der Nato in der Ostsee um eine Korvette verstärkt. Mit einem Flottendienstboot, dem Einsatz von Tornado-Aufklärungsjets und Seefernaufklärern P3C Orion sowie einem Minenjagdboot.
Nach dem Beschluss der Bundesregierung würden nun die Streitkräfte der Ukraine nicht nur mit militärischer Ausrüstung, sondern auch mit Waffen unterstützt. Alle Kräfte werden verstärkt und unterstützt durch Truppenteile der Streitkräftebasis, des Sanitätsdienstes und des Cyber- und Informationsraums.
Deshalb stellte der GI fest, dass die Bundeswehr „in allen Dimensionen schnell zusätzliche Kräfte zur Abschreckung an der Ostflanke bereitgestellt hat und bei Bedarf weiter bereitstellen wird.“ Mit Blick auf das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr mahnte er zugleich: „Geld ist dabei aber nicht alles.“ Gleichzeitig müssten bürokratische Hürden abgebaut, Strukturen modernisiert und die Einsatzbereitschaft der Truppe in der Fläche schnell und sichtbar erhöht werden. Mit positiver Motivation fuhr der militärische Führer fort: „Auf die Frauen und Männer der Bundeswehr ist Verlass, ohne Wenn und Aber. Wir haben unsere Leistungsfähigkeit und Bündnissolidarität in den vergangenen Tagen und Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das ist vor allem Ihrem beherzten Engagement zu verdanken. Sie legen in beispielgebender Art und Weise genau das Mindset an den Tag, das wir im Angesicht des Krieges in Europa brauchen […] in dieser schweren Zeit stehen wir zusammen. Jeder und jede von uns zählt im Kampf für den Frieden. Ich habe großen Respekt vor dieser Leistung und danke Ihnen für Ihren Einsatz!“
Mit dem preußischen Zapfenstreichmarsch, den Kavalleriesignalen und Spielstücken der Trommler und Pfeifer als Zeichen von Verbundenheit und Zusammengehörigkeit der Streitkräfte ging das militärische Szenario weiter. Beim Kommando „Helm ab zum Gebet“ nahmen die Soldaten der Ehrenformation ihre grün-schwarzen Helme auf die Brust. Das ursprünglich fromme Andachtslied „Ich bete an die Macht der Liebe“ des Predigers Gerhard Tersteegen aus dem Jahr 1750 reicht weit über seinen christlichen Anspruch hinaus. Denn hier wird Liebe als ein bestimmendes Moment des menschlichen Zusammenlebens propagiert. Es überhöht dabei bewusst die Eigenschaft einer Gemeinschaft (auch der von Soldatinnen und Soldaten), um Zusammengehörigkeit und Kameradschaft als Grund allen humanen Zusammenseins zu empfinden.
Die 450 Gäste auf der Besuchertribüne erhoben sich bei den Klängen der deutschen Nationalhymne und sangen sie mit. Unter ihnen zahlreiche Ministerinnen und Minister, Abgeordnete, die Wehrbeauftragte Högl, Exzellenzen und Eminenzen, Kameraden, Amtskollegen und -kolleginnen. Die Stabsmusiker und Soldaten des Wachbataillons verließen nacheinander das Präsentierfeld. Es folgte ein letztes Zeremoniell: Die Ausfahrt des in den Ruhestand versetzten höchsten Offiziers der Streitkräfte: Die Ehreneskorte der 13. Kompanie des Feldjägerregiments 1 mit insgesamt neun Motorrädern mit zuckenden Blaulichtern in perfekter Symmetrie preschte heran. In der hier herrschenden Dunkelheit verlangt der Auftritt von den Feldjägern volle Konzentration und Zusammenspiel. Den Maschinen folgten die schweren Limousinen, die den ausgeschiedenen Generalinspekteur a.D., seinen Nachfolger Breuer und Verteidigungsminister Pistorius vom Bendlerblock buchstäblich in eine neue Zukunft transportierten. Bei Abfahrt hatten die Gäste mit minutenlangem Beifall dem Saarländer für seine 45-jährige Militärkarriere Respekt gezollt. Zuletzt blieben die Fackelträger der „Perlenkette“ auf dem Platz: Als Letzte marschierten sie in die Dunkelheit ab.
Autor: Roger Töpelmann
RT ist freier Journalist und Autor - ihn interessieren die Themen seiner beruflichen Erfahrung: Aktuell sind das alle sozialen aktuellen Themen der Bundeswehr. Seelsorge für Soldatinnen und Soldaten finden sein besondere Aufmerksamkeit. Einsatzgeschädigte hat er in Beiträgen zu Wort kommen lassen. Den ethischen Unterricht von Rekruten und Rekrutinnen begleitete er mit Reportagen.
Als historisch ausgebildeter Theologe zeigt er ein besonderes Interesse an den religiösen und kirchlichen Ereignissen des 19./20./21. Jahrhunderts.
Auf dem Paradeplatz im Berliner Bendlerblock des Verteidigungsministeriums an der Stauffenbergstraße wurde es wie das Videoportal BTB-Concept zeigt feierlich: Ein Musikkorps der Bundeswehr mit einer Ehrenformation marschiert auf. Verteidigungsminister Boris Pistorius empfängt den neuen Generalinspekteur Carsten Breuer mit militärischen Ehren an seinem Dienstsitz. Der 58-jährige Breuer nimmt die Glückwünsche ranghoher Generäle entgegen. Händeschütteln. Von den Soldaten wird der Vier-Sterne-General mit einem „Guten Tag Herr General“ begrüßt. Schlichtheit ist die Zierde der Bundeswehr, wenn sie den Wechsel vom bisherigen höchsten General Eberhard Zorn zu General Breuer vollzieht. Der „Neue“ hat sich als Chef des Territorialen Führungskommandos wie zuvor als Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt großen Respekt erworben und gilt als Wunschkandidat des Bundeskanzlers. Pistorius hatte zuvor gesagt: „Die militärische Umsetzung der Zeitenwende lege ich aus guten Gründen in Ihre bewährten Hände.“
Doch der oft proklamierten „Zeitenwende“ muss noch eine glückliche Stunde schlagen: In der Bundespressekonferenz stellte einige Tage zuvor die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Eva Högl ihren von Journalisten mit Spannung erwarteten Jahresbericht 2022 vor. Denn die „Unterrichtung durch die Wehrbeauftragte“, so der offizielle Titel, ist so etwas wie ein Beichtspiegel, eine Selbstprüfung des Parlaments in Sachen Bundeswehr.
Die Wehrbeauftragte Eva Högl legte auch gleich richtig los: „Die Bundeswehr war gefordert wie nie!“ Denn es könne ernst werden für die Soldatinnen und Soldaten, ein Einsatz schnell kommen. Die Soldatinnen und Soldaten begegneten der neuen Lage „professionell, engagiert und pflichtbewusst. Unter Rahmenbedingungen, die besser sein könnten und müssten.“ Der entsetzliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe alles verändert. Jetzt gehe es um
die tatkräftige Unterstützung der Ukraine mit Material und Ausbildung sowie die Verstärkung der NATO-Ostflanke in Litauen, Präsenz der Marine in der Ostsee, um Airpoliceing und Flugabwehr. Im schriftlichen Bericht heißt es: „Im Ernstfall geben unsere Soldateninnen und Soldaten ihr eigenes Leben für unseren Frieden und unsere Freiheit..., kein Job wie jeder andere.“ Die Hauptkritik Högls: „Die Bundeswehr hat von allem zu wenig und es dauert alles viel zu lang.“ Vom 100-Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr war Ende 2022 noch kein Cent ausgegeben. Experten schätzten, dass nicht hundert, sondern eine Summe von 300 Milliarden Euro aufgewendet werden müssten, um die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen.
Mehr unter: Die Tagespost.de (Katholische Wochenzeitung)
Die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) hatte bis zuletzt geheim gehalten, dass auch Wolodymyr Selenskyj im Livestream auftreten würde. Wie immer in olivgrünem Pullover - bediente der Präsident der Ukraine sich des biblischen David, der gegen den übermächtigen Heerführer Goliath kämpft und dafür nur eine Steinschleuder in den Händen hält. „David zu sein bedeutet zu kämpfen, damit man gewinnen muss. Wir haben Davids Schleuder aber noch nicht bekommen aus Israel“. Damit spielte Selenskyj auf das neue gleichnamige Raketenabwehrsystem der israelischen Armee an, das sein Land dringend benötigen würde. Der Politiker zeigte sich überzeugt von einer russischen Niederlage: „Der russische Goliath hat schon angefangen zu verlieren.“ Es dürfe keine Alternative zur Entschlossenheit geben, überall da, wo die Freiheit geschätzt wird. Die Steinschleuder müsse aber schneller werden, denn der Kreml sei immer einen Schritt weiter. Dennoch: „Wir können unser Land befreien - wir haben schon viel erreicht.“
Die weltweit wichtigste Konferenz zu Sicherheitsfragen sendete in vier Tagen ein eindeutiges Signal an Russland: „Die freie Welt wird zusammenhalten“, so der neue Vorsitzende der MSC, Botschafter Christoph Heusgen bei der Eröffnung im Bayerischen Hof in der bayerischen Landeshauptstadt. Zum diesjährigen Programm erklärte der frühere deutsche UN-Botschafter, es stehe ganz im Zeichen der von Bundeskanzler Olaf Scholz markierten „Zeitenwende“. Der Angriff auf das Land sei ein Zivilisationsbruch. Tatsächlich kommen immer mehr Waffen ins Kriegsgebiet und verstärken die Gefahr einer Ausweitung des massiven Konflikts.
Der langjährige Berater von Kanzlerin Merkel hatte schon zuvor in der Bundespressekonferenz in Berlin erklärt, dass international die „Stärke des Rechts“ dominieren müsse, nicht aber das Recht des Stärkeren. Es stelle sich auch die Frage, wie es zu verhindern sei, dass autoritäre Staatslenker wie Wladimir Putin straflos davonkommen. Der „Chairman“ der MSC - Nachfolger des bisherigen Leiters und Diplomaten Wolfgang Ischinger - äußerte zur Verteidigungsfähigkeit Deutschlands: „Wir müssen feststellen, dass wir weit vom 2-Prozent-Ziel entfernt sind“, sagte Heusgen. Eine Steigerung um 10 Milliarden Euro wie von Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgeschlagen, sei ein Minimum und ein „Lackmustest“.
40 Staats- und Regierungschefs und über 100 internationale Minister und Ministerinnen nahmen nach Angabe des früheren deutschen UN-Botschafters an der internationalen Tagung teil: Die amerikanische Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken, Bundeskanzler Olaf Scholz, der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Rishi Sunak sowie der polnische Präsident Andrzej Duda. Allein 83 Verteidigungsminister aus Europa, Asien, Afrika, Südamerika und der USA hatten sich angesagt. Russische Vertreter sind nicht eingeladen worden. Aus China kommen hingegen hochrangige Vertreter wie der Chefdiplomat Wang Yi. Heusgen sagte in seiner Begrüßung, er sei nicht bereit dem russischen Außenminister Lawrow eine Propaganda-Bühne zu bieten. Deshalb sei er nach München nicht eingeladen wie auch Vertreter des Iran.
Die Rede von Bundeskanzler Scholz war mit besonderer Spannung erwartet worden. Tatsächlich sprach er sehr konkret von der Notwendigkeit Panzer an die Ukraine zu liefern. Dabei müssten einige europäischen Partner noch mehr tun. Hier zog er sich ein Büßerhemd allerdings nicht an, - war es doch gerade Deutschland, das mit einer Hilfe mittels Leopard 2 Panzern allzu lange zögerte. Er wünschte zuerst dem Ukrainer viel Kraft und Zuversicht, um dann aber seine Sicht in Thesen vorzutragen. Zuerst gelte es, der Revisionismus Putins werde nicht siegen, im Gegenteil. „Die Ukraine ist geeinter denn je, die Europäische Union steht geschlossen zusammen und hinter einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Die NATO wächst um zwei neue Mitglieder. Tausende junge Russen hätten für Putins Krieg mit ihrem Leben bezahlen müssen. Unter großen Opfern verteidigten die Ukrainer ihre Freiheit. „Und wir unterstützen Sie dabei, so lange und wie nötig.“ Deutschlands Hilfe belaufe sich 2022 auf über 12 Milliarden Euro und sein Land habe eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen mit vollem Zugang zum Arbeitsmarkt, den Schulen und Universitäten. „Wir liefern hochmoderne Waffen und Munition und andere militärische Güter, mehr als jedes Land im kontinentalen Europa.“ Scholz hob damit hervor, dass auch der von friedensbewegten Gruppen hoch gehaltene Grundsatz „Keine Waffen in Kriegsgebiete“ in diesem Fall aufgegeben worden sei. Aber nicht die Waffenlieferungen seien es, die den Krieg verlängern, sondern das Gegenteil: Je früher Putin einsehe, dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreiche, desto größer sei die Aussicht auf ein baldiges Kriegsende. Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit müssten zudem dokumentiert und geahndet werden. Etwas unklar war dann die Bemerkung, die Politik werde dafür sorgen, dass es nicht zu einem Krieg zwischen der NATO und Russland kommt. Das wäre eine „ungewollte“ Eskalation. Sehr deutlich benannte Scholz die Ursache des Krieges: Erstmals führe eine europäische Nuklearmacht einen imperialistischen Angriffskrieg. Was da zu tun sei, dafür gebe es keine Blaupause. Alle Schritte müssten eng abgestimmt werden. Aber insgesamt wirkte Scholz doch entschlossener als in Wochen zuvor. Er sprach von „Leadership“ Deutschlands, die er ausdrücklich anbiete. Wie oft bei solchen Reden, färbten sich vergangene Entscheidungen schön, auch die „Vernachlässigung der Bundeswehr“, der mit dem 100-Milliarden Euro Sondervermögen ein Fundament gelegt werden soll. „Deutschland wird seine Verteidigungsausgaben dauerhaft auf 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anheben,“ bekräftigte der Kanzler. Selbst die von den Kirchen oft gescholtene Rüstungsindustrie will Scholz leistungsfähiger ausgestattet sehen. Anerkennenswert war dann seine Bemerkung, Deutschland habe sich sehr schnell aus russischen Energieabhängigkeiten befreit, ein Baustein für eine nationale Sicherheitsstrategie.
Ethische Fragen standen in allen Veranstaltungen im Hintergrund, die auch in der katholischen Kirche kontrovers diskutiert werden: So der Einsatz von schweren Waffen und die Lieferung von modernen Kampfflugzeugen an die Ukraine. In der 3-tägigen Konferenz ging es auch um die Wahrung einer regelbasierten Ordnung unter Einbeziehung des globalen Südens.
Präsident Macron sprach die internationale Dimension des Konfliktes an: Die gestörte Lebensmittelversorgung für schutzbedürftige Länder und die nuklearen Gefahren. Er lobte die Tapferkeit der ukrainischen Soldaten und der Bevölkerung. Der kolonialen Mentalität der Russen gelte es entgegenzutreten.
Einen besonderen Eindruck machte ein Panel mit der Premierministerin Estlands, Kaja Kallas, die sich gegen die „internationale Gesetzlosigkeit“ aussprach und „Accountability“, also Verantwortungsübernahme von Machthabern wie Putin einforderte. Nur ein glaubwürdiger Frieden könne am Ende stehen. Russland gehe stattdessen zu seinen alten Träumen einer in Europa herrschenden Großmacht zurück.
Ein Journalist unter den etwa 700 Tagungsgästen sagte zur Atmosphäre im Bayerischen Hof: Die Teilnahme an der MSC ist wie ein Bad in der Zeitgeschichte: Antony Blinken auf der Treppe, Minister Pistorius im Innenhof, General Brieger (Chairman EUMC) als Zuhörer im Side Event oder Kamela Harris im Konvoi schwarzer Limos und Suburban Chevrolets. „Ich habe bisher nur selten eine so kraftvolle, beeindruckende Ausstrahlung erlebt wie bei den
Klitschko-Brüdern, die mir zufällig über den Weg gelaufen sind: Groß, ernst, stark, entschlossen.“
Wang Yi kündigte zum Ende der Tagung überraschend einen chinesischen Friedensplan für die Ukraine an, was aber nicht sehr überzeugend klang, da er auf Nachfrage zu Taiwan nur sagte, die Insel gehöre schon immer zur Volksrepublik China. Landraub darf aber nicht Schule machen.
Die MSC hat eine fast 60-jährige Geschichte. Seit ihrer Gründung im Herbst 1963 durch den Wehrmachtsoffizier und Widerstandskämpfer Ewald-Heinrich von Kleist hat sich die MSC immer wieder geändert – nicht nur ihren Namen. Zuerst lautete ihr Titel bescheiden „Internationale Wehrkunde-Begegnung". Damals wurde die Konferenz oftmals "transatlantisches Familientreffen" genannt. Fokus der Diskussionen in München war die westliche Politik im Kalten Krieg. Doch ihre Grundidee gilt heute genauso: München soll ein unabhängiger Ort der Begegnung für Politiker, Militärs und Entwicklungsexperten bleiben.
Fotos: BTB-concept Matthias Baumann
Heusgen BPK Berlin/Töpelmann
08. 11. 2022. Wenn der Bundespräsident einlädt, kommen viele. So auch zur Diskussionsveranstaltung im Schloss Bellevue, Frank-Walter Steinmeiers Home in der Hauptstadt. „Wie stärken wir was uns verbindet?“ hatte er seine präsidiale Idee einer sozialen Pflichtzeit für junge Staatsbürger betitelt. Wehrdienst, Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) oder Dienste im politischen und caritativen Raum waren damit gemeint. Die Jahre der Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, steigende Energiepreise und die Veränderungen des Klimawandels, so der Präsident, führten zu Verunsicherung, Spannungen und Konflikten. „Deshalb wünsche ich mir, dass noch mehr Menschen in unserem Land sich fragen, was sie für das Gemeinwesen tun können und tun wollen.“ Steinmeiers Sorge ist, dass bürgerschaftliches Engagement schwächer wird, nicht mehr das Rückgrat unseres Gemeinwesens bleiben werde. Zu oft bleibe man unter sich – im Wohnviertel, in den digitalen Netzwerken, in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Urlaub.
Die Eingeladenen auf dem Podium waren denn auch mehrheitlich junge Auszubildende: Aus Organisationen wie der Johanniter-Unfallhilfe, ein Schülersprecher am Landesgymnasium St. Afra in Meißen oder aus anderen Freiwilligendiensten. Unkonventionelles Sprechen merkte man schon an Sätzen wie „Ich finde es voll wichtig“, „man muss aus seiner Bubble herauskommen“ oder wie junge Leute heute „so equiped“ sind. Lehrlinge oder Schüler mit einem Abschluss ohne Abitur waren allerdings nicht dabei. Einzig ein bereits Enddreißiger vertrat als ehemaliger Wehrdienstleistender die Position eines verpflichtenden Dienstes für alle, Frauen wie Männer. Auch er nannte den Satz zur Wehrpflicht „Hat mir nicht geschadet“ nicht mehr zielführend, selbst wenn er für ihn zutrifft, wie er betonte.
Die Journalistin Anja Maier, bis 2020 noch Bundestagskorrespondentin, lotste die sechs Diskutanten dann ganz geschickt durch die völlig auseinanderlaufenden Voten. Breiten Raum nahm die Frage ein, wie die Dienstleistenden beiderlei Geschlechts das Jahr finanziell überstehen sollen. 300 – 500 Euro zahlen heute die FSJ-Organisationen, aber 900 Euro müssten es doch schon sein. Attraktivität durch Geld klang da an.
Die soziale Herkunft der FSJ-ler ist recht prekär: Nur 10 Prozent der FSJ-ler machen kein Abitur. Dass der Bundespräsident von einem Pflichtjahr sprach, kam in den Voten praktisch nicht vor. Freier Zugang, freie Wahl der Konditionen, wohlwollendes Feedback der Vorgesetzten nannten fast alle Podiumsteilnehmer als ein entscheidendes Kriterium für die Akzeptanz. Dass es bei der Bundeswehr Befehle gibt und mindestens die Sanitätsdienste ganz ähnlich funktionieren, kam den jungen Frauen und Männern nicht in den Sinn.
Auf mehr Interesse könnte der Vorschlag stoßen, die Dienstverpflichtung in der Schulzeit abzuleisten. Zum Abschluss beispielsweise oder nach der 11. Klasse. In Irland sei das der Fall, sagte ein junger Mann. Ob es in einem Dienst für die Gesellschaft zu einer Sprengung von Milieugrenzen kommt, wie es sicher in den Kasernen der Bundeswehr bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011 garantiert war, blieb offen. Auch würden – wie eine Jura-Studentin sagte – sie durchläuft gerade eine Ausbildung als Reserveoffizier-Anwärterin im Cyber- und Informationsraum – in den Freiwilligendiensten überwiegend Frauen Dienst tun. Ein Schüler machte zum Schluss zur Wehr- oder Dienstpflicht klar: „Nicht mit meinem Freiheitsverständnis vereinbar“. Von Freuden der Pflicht keine Spur.
Die Bundeswehr liefert erneut weiteres Militärmaterial an die Ukraine. Wie Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Bundeswehrtagung 2022 in Berlin mitteilte, handelt es sich um zwei zusätzliche Raketenartilleriesysteme MARS II inklusive zugehöriger 200 Raketen Munition und 50 geschützte Gefechtsfahrzeuge „Dingos“. Die Ausbildung der ukrainischen Besatzungen soll noch im September in Deutschland beginnen. Der Kanzler sprach im Blick auf den Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine erneut von einer Zeitenwende, bei der es aber nicht allein um das Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr gehe. Der Verteidigungshaushalt in Höhe von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelte für die Zukunft und damit solle geplant werden. Denn, so Scholz: „Der Kernauftrag der Bundeswehr ist die Verteidigung der Freiheit in Europa. Oder weniger lyrisch ausgedrückt, die Landes- und Bündnisverteidigung.“ Das Ziel sei eine Armee, die ihre Kaltstartfähigkeit erhöhe. Besonders die 30.000 Soldatinnen und Soldaten, 85 Flugzeuge und Schiffe, die Deutschland für das NATO-Bündnis stelle zeige, dass die Bundeswehr zu einer am besten ausgerüsteten Armee gehören wolle.
Schon am Vortag hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht zu den Generälen und dem Führungspersonal der Truppe gesprochen. „Wir unterstützen durch Ausrüstung und Waffen“ und es sei wichtig der Ukraine noch mehr Waffen zu liefern. „Zeitenwende ist eine Frage der Ausstattung“, sagte sie zu den 100 Milliarden-Paket für die Bundeswehr. Sie sprach sich dafür aus, die Abläufe in der Bundeswehr zu optimieren, nicht aber eine große Strukturreform des deutschen Militärs anzugehen. Alle müssten Beharrlichkeit und Ernsthaftigkeit in der Sache zeigen.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn nannte das Sondervermögen für die Bundeswehr eine einmalige historische Chance. Jetzt müssten zuerst noch die Pandemielücken ausgeglichen werden. Die NATO mache viele Probleme in der Truppe sichtbar, aber gerade deshalb sei ein neues Denken zwingend. Die Struktur der Bundeswehr solle sich stärker an der Auftragserfüllung orientieren und so könne auch die Einheit der Verbände gestärkt werden. Das materielle Ziel sei die Vollausstattung einer Heeresdivision. Am Ende aber gelte sein Lieblingswort: „Machen.“
Mit einer Paneldiskussion, an der auch die parlamentarischen Staatssekretäre im Verteidigungsministerium, die Bundestagsabgeordneten Siemtje Möller und Thomas Hitschler teilnahmen, suchten die Veranstalter eine politische Perspektive einzufangen. Unter der Moderation des Publizisten und Strategieexperten, Klaus Schweinsberg, kritisierte die Politikwissenschaftlerin und Leiterin eines Think Tanks, Florence Gaub, in Deutschland sei eine „Blase von Gewaltfreiheit“ geschaffen worden, die nicht der globalen Wirklichkeit entspreche. Krieg, Gewalt und Bellizismus seien eine Realität, die aber in Deutschland gerne negativ konnotiert werde. Für Europa gelte angesichts des russischen Angriffs auf ein demokratisches Land ultimativ so abzuschrecken, dass keine Macht auf die Idee komme, einen Angriff zu wagen.
Wie kritisch die Bestandsaufnahme am Ende ausfiel, ließ sich nicht ausmachen. Von einer Führungsrolle Deutschlands – wie immer wieder bei der Tagung beansprucht – blieb aber nicht viel übrig. Es galt das Wort von Schweinsberg in seiner Anmoderation: „Die Bundeswehr kann vieles, aber nicht lange.“ Doch immerhin haben die deutschen Truppenkontingente bei der Sicherung der NATO-Ostflanke Führungsfähigkeit gezeigt. Die in Litauen stationierten deutschen Kampftruppen führen bei ihren Manövern vor, es würde für Russland nicht leicht, hier eine zweite Front zu eröffnen.
An der Tagung nahmen der evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg, Militärrabbiner Zsolt Balla und katholischerseits Generalvikar Monsignore Reinhold Bartmann teil. Die Ministerin lobte in ihrem Schlusswort die gemeinsame Morgenandacht der drei Geistlichen. „Geht in die Zeit eures Lebens“ zitierte Lambrecht Bischof Felmberg in seinen Andachtsworten: Es gelte demütig zu sein, uns nicht zu fürchten und mit Kraft und Besonnenheit auf die Fragen der Zeit zuzugehen.
Großer Zapfenstreich für Angela Merkel
Von Roger Töpelmann
Fotos: Wilke/Bundeswehr
Die Temperatur lag bei winterlichen minus ein Grad auf dem Paradeplatz des Bundesverteidigungsministeriums im Bendlerblock in Berlin, als Angela Merkel vor die etwa 200 Gäste des Großen Zapfenstreichs trat und eine 7-minütige Rede hielt. Die Bundeskanzlerin hatte sich ausbedungen vor der militärischen Zeremonie reden zu dürfen. Nur Helmut Kohl hat das vor ihr getan. Sie empfinde vor allem Dankbarkeit und Demut, sagte Merkel. „Demut vor dem Amt, das ich so lange ausüben durfte und Dankbarkeit für das Vertrauen das ich erfahren durfte. Vertrauen, dessen war ich mir immer bewusst, ist das wichtigste Kapital in der Politik.“ Sie denke an die, die sich zeitgleich mit all ihrer Kraft der vierten Welle der Pandemie entgegenstemmen, Ihnen allen gebühre höchste Anerkennung. Nach 16 Jahren dürfe sie sich heute verabschieden.
Veröffentlicht: Wehrtechnik 12/21 und Zeitzeichen online 12/21.
Sie warnte dann, dass auch in der Demokratie überall da, wo wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten geleugnet würden und Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet werden, Widerspruch gefordert sei. Toleranz müsse eine Grenze finden. Und dann nannte sie drei aktuelle Herausforderungen: Klimawandel, Digitalisierung und Flucht und Migration. Zur Bewältigung wünsche sie dem neuen Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner Regierung alles Gute, sie wolle dazu ermutigen, die Welt immer auch mit den Augen des Anderen zu sehen.
Wichtig sei, sich mit „Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit“ zu machen. „So jedenfalls, habe ich es immer für mich gehalten, in meinem Leben in der DDR und erst recht und umso mehr unter den Bedingungen der Freiheit.“ Das wünsche sie allen und im übertragenden Sinne unserem Land für die Zukunft. „Ich danke Ihnen von Herzen.“
„The Guardian“ nahm kein Blatt vor den Mund: Für die britische Zeitung ist das Museum im neuen Humboldt Forum „bizarr“ und ein Desaster. Die sechs Ausstellungen im Stadtschloss zu Geschichte, Wissenschaft und Zukunft verfehlten die zentralen Möglichkeiten einer großen Schau in Berlins Mitte. Hier werde auf der Museumsinsel eine idealisierte Vergangenheit beschworen, die es nie gab. Das Vorhaben, die Geschichte der Menschenrasse (human race) aus unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, habe das Ethnologische Museum, das Museum für Asiatische Kunst sowie Teile des Stadtmuseum Berlin und das „Humboldt Lab“ an diesen Ort mit „faschistischer Vergangenheit“ zusammengeführt. Doch die Hoffnung die Sammlungen aus den Dahlemer Museen, aus Afrika, den beiden Amerikas, Asien und Australien sowie Ozeanien könnten auf die gleiche Stufe mit der Klassischen Antike gestellt werden, sei nicht erfüllt. Die koloniale Beute in einem imperialen Palast zu zeigen, sei falsch?? eingeschätzt.
Das Humboldt Forum ist ein historischer Ort, dessen 800-jährige Geschichte in einem Video-Panorama erzählt wird, hinunter bis in die Fundamente und Keller. Ohne Frage, der Skulpturensaal und der Schlosskeller wird auf viele Besucher und Besucherinnen größte Faszination ausüben, denn sie erfahren hier nicht nur, wie hier um das Jahr 1300 Mönche Wein in Fässern lagerten und Mägde Geflügel für die königliche Küche rupften, sondern auch, was ab 1976 den Arbeitsalltag im Palast der Republik ausmachte.
Der Schlüterhof in der ehemaligen Hohenzollernresidenz ist das kulinarische Zentrum des Schlosses: Hier lachen Touristen, schreien Kinder laut und Besuchende finden Sitzplätze unter großen Gastro-Schirmen. Wie gut, dass die Planer nicht auf die majestätische Würde des Ortes gepocht haben. Hier herrscht Berliner Schnauze, internationale Ungezwungenheit, die man den Sammlungen gerne auch wünschte. Damit ist die Problematik der einzelnen Ausstellungen genannt. Weshalb haben die „Macher“ der Ausstellung „Berlin Global“ es nicht geschafft, eine klare Gliederung zu schaffen? Es bleibt der Eindruck, in dieser Stadt geht es allein um Spass. Der Anspruch „Weltbürgerschaft“ der Metropole zu zeigen, muss sich der Nachfrage stellen, weshalb die historische Rolle Berlins in Europa nicht genauer in den Blick genommen wurde. Es gab 1981 – vor der Wende - im Gropius-Bau die Ausstellung „Preussen. Versuch einer Bilanz“. Die Schau bestach durch ihren Anspruch, in der Geschichte die Gegenwart zu begreifen. Auch wurden „Der Staat und die Religionssachen“ nicht ausgespart. Mit der Bescheidenheit nur einen Versuch einer Bilanz zu wagen, wurde das Unternehmen in Zeiten des Regierenden Bürgermeisters Richard von Weizsäcker ein großer Publikumserfolg mit 450.000 Besuchern. Selbst unter der Voraussetzung, dass Ausstellungen heute anders konzipiert werden, fehlt den Humboldt-Schauen die große Linie, die im Blick auf die Politik nur Deutschland in Europa heißen kann. Dafür sollten die Ausstellungsverantwortlichen die Besuchenden gewinnen.
Veröffentlicht in die Kirche - Evangelische Wochenzeitung für Berlin, Brandenburg und schlesische Oberlausitz 25/2021
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„Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind. Der umstrittene Spruch ist eine Kombination aus zwei Bibelstellen (Apostelgeschichte 4,12 und Philipper 2,10) und wurde vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. verfasst – auch um im Zuge der von ihm abgelehnten Revolution von 1848/1849. Er wollte dem Christentum wieder eine neue Stärke verleihen.
Während eine Entscheidung des Bundestages über eine allgemeine Covid-19-Impfpflicht auf sich warten lässt und selbst die einrichtungsbezogene Pflichtimpfung für das Pflegepersonal immer wieder in Frage gestellt wird, ist eine Bevölkerungsgruppe längst durchgeimpft: Die Soldaten der Bundeswehr. Seit dem 24. November 2021 gehört der Piks gegen eine Corona-Infektion für alle Soldaten und Soldatinnen zu den duldungspflichtigen Impfungen - außer wenn dadurch eine erhebliche Gefahr für Leben und Gesundheit ausgehen würde. In den Auslandseinsätzen müssen die Soldaten bereits seit März 2021 geimpft sein. Schutzimpfungen haben seit Beginn der Auslandseinsätze insgesamt zugenommen, weil der Schutz der Gemeinschaft in engen Unterkünften und völlig anderen Klimabedingungen eine wichtige Rolle spielt. Etwa 94 Prozent der Truppe sind nach Angaben der Bundeswehr inzwischen gegen Covid-19 immunisiert. In den Auslandseinsätzen sind es volle 100 Prozent.
Die Bundeswehr blickt bei der Immunisierung auf eine lange Erfahrung zurück: Schutzimpfungen gegen Grippe, Mumps-Masern-Röteln (MMR), Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten und Hepatitis gehören zum militärischen Alltag, um den Erhalt der Einsatzfähigkeit nicht zu gefährden.
Soldatengesetz Die Impfpflicht in der Truppe leitet sich aus dem Soldatengesetz ab: So muss ein Soldat ärztliche Maßnahmen gegen seinen Willen dulden, wenn sie der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen oder der Feststellung seiner Dienst- und Verwendungsfähigkeit. Aber auch nur dann.
Ohnehin spielt das Militär eine wichtige Rolle in der Geschichte des Impfens. Generalstabsarzt Otto Carl Wilhelm von Schjerning gab am 4. Oktober 1914 eine Order an die Lazarette, das erst seit wenigen Jahren verfügbare Tetanus-Antitoxin verwundeten Soldaten vorbeugend zu verabreichen. Mit Erfolg: Die Todesraten durch Wundinfektion sanken drastisch.
Die Impfungen gegen Covid-19 hatte noch Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) angeordnet. Für zivile Mitarbeiter und Beamte in der Bundeswehr gilt das außerhalb von Auslandseinsätzen bislang allerdings nicht. Amtsnachfolgerin Christine Lambrecht (SPD) ließ Anfang Januar verbreiten: "Die gute Impfquote bei unseren Soldatinnen und Soldaten ist ein Zeichen der großen Disziplin innerhalb der Truppe, aber auch der Solidarität gegenüber unserer gesamten Gesellschaft. Die Duldungspflicht ist eine militärische Besonderheit, ein Stützpfeiler für den Erhalt der Führungsfähigkeit und Einsatzbereitschaft der Bundeswehr."
Tatsächlich unterstützt die Bundeswehr von Anfang an die Bekämpfung der Pandemie mit Tausenden Frauen und Männern. In Berlin haben jüngst sogar Chefärzte angekündigt, die Hilfe der Soldaten bei einer zunehmenden Belegungskrise der Krankenhausbetten anzufordern.
Mit der Abordnung eines Generals und seines Stabes ins Bundeskanzleramt wollte die Regierung machtvoll Aktivität gegen das Virus zeigen. Generalmajor Carsten Breuer sagt: "Ich beschäftige mich nun seit Monaten mit der Pandemie, habe tiefe Einblicke erhalten und mit vielen Expertinnen und Experten gesprochen. Die wichtigste Kernbotschaft ist: Die Impfung, bestehend aus Grundimmunisierung und Auffrischungsimpfung, bietet den besten bekannten Schutz vor dem schweren Verlauf. Impfen und Kontaktbeschränkungen sind das Bollwerk gegen den Virus." Die Bundeswehr leistet einen Dienst, den sie schon in anderen Notlagen unter Beweis gestellt hat: Sie stellt ihre logistischen Fähigkeiten zur Verfügung: "Sie umfassen den tiefgekühlten Transport vom zentralen Lager des Bundes zu insgesamt 14.000 Apotheken im gesamten Bundesgebiet. Hier handelt es sich um einen komplexen, aber sehr routinierten Ablauf aller Beteiligten", erläutert Breuer.
Tiefgefroren bei minus zwanzig Grad kommen die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna von dem durch die Bundeswehr betriebenen logistischen LogHub Quakenbrück (Niedersachsen) zuerst an 60 Niederlassungen des pharmazeutischen Großhandels, um dann an Apotheken und niedergelassene Ärzte verteilt zu werden.
Wehrbeauftragte Die Wehrbeauftragte des Bundestages, Eva Högl, begrüßt die Duldung der Impfung: "Es ist richtig, dass die Disziplinarvorgesetzten eine klare rote Linie ziehen, wenn Soldatinnen oder Soldaten sich dem verweigern. Das ist Gehorsamsverweigerung und wird entsprechend geahndet." Die Soldaten trügen eine besondere Verantwortung, sich und ihre Kameraden zu schützen. Die Immunisierung sei unerlässlich für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr, gerade vor dem Hintergrund der Amtshilfe. "Wenn unsere Soldatinnen und Soldaten in Gesundheitsämtern unterwegs sind, in Pflegeheimen, in Impfzentren, dann ist es wichtig, dass sie selbst geschützt sind und andere nicht gefährden", betont Högl. Deshalb unterstütze der überaus große Teil der Truppe das Impfen und nehme Verantwortung wahr.
An der militärischen Basis gibt es aber auch Unverständnis für die strikte Anordnung des Ministeriums. Die Ministerin spricht von "zum Teil lautstark auftretenden Impfverweigerern in Uniform", die sich bewusst außerhalb der Kameradschaft stellten. Es handle sich um eine Minderheit. Laut einer Antwort der Bundesregierung (20/460) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (20/295) wurden zwei Soldaten wegen Verweigerung der Impfung aus dem Dienst entlassen.
Der Sanitätsdienst spielt in der Pandemie eine besonders wichtige Rolle: Im Sanitätsunterstützungszentrum Berlin wacht Oberstabsarzt Roland Schneider über die Lage in zehn Sanitätsversorgungszentren und einer Sanitätsstaffel. Die Mitarbeiter seien alle durchgeimpft.
Zur allgemeinen Impflicht für alle sagt er: "Aus medizinischer Sicht muss ich sie mit ,ja' beantworten." Aus politischer Sicht sei es deutlich schwieriger. Ein Hauptproblem sei, dass Corona-Erkrankte die Krankenhausbetten belegten und damit beispielsweise Patienten mit akuten Herzproblemen nicht mehr aufgenommen werden könnten.
Bei einer Verschärfung der Lage durch die Omikron-Variante werde auch er in seinem Bereich Leistungen der sanitätsdienstlichen Versorgung einschränken müssen oder ein Zwei-Schichten-System in den Büros einführen. Doch so weit ist es noch nicht. "Die Impfungen haben bewirkt, dass keine schweren Erkrankungen nach Impfdurchbrüchen erfolgt sind."
Bis 2025 sollen die Streitkräfte 203.000 Soldaten umfassen. Zum Erreichen dieses Ziels fehlenden jedoch noch rund 20.000
Kaum hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine eine deutliche Anhebung der deutschen Verteidigungsausgaben angekündigt, da wurden auch schon wieder Forderungen nach einer Reaktivierung der 2011 ausgesetzten Wehrpflicht laut. Doch im Bundesverteidigungsministerium und bei der Bundeswehr selbst winkte man ab. "Wir brauchen gut ausgebildetes, in Teilen sogar hoch spezialisiertes Personal, um das gesamte Aufgabenspektrum abzudecken", befand Generalinspekteur Eberhard Zorn. Zudem verfügten die Streitkräfte derzeit weder über die zur Ausbildung von Wehrpflichtigen erforderliche Infrastruktur noch das notwendige Personal.
Trendwende Personal Fakt ist, dass die Bundeswehr sich seit Aussetzung der Wehrpflicht gewaltig strecken muss, um ihren Bedarf an geeignetem Personal zu decken. Zumal 2016 die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit der ausgerufenen "Trendwende Personal" die Vorgabe machte, die Truppe solle bis 2025 auf 203.000 Soldaten anwachsen.
Aktuell (Stand: Januar 2022) dienen in der Bundeswehr 183.758 Soldatinnen und Soldaten: 55.434 Berufssoldaten, 119.187 Zeitsoldaten und 9.137 Freiwillig Wehrdienstleistende. In der Tat gelang es der Bundeswehr auch, die Zahl ihrer Zeit- und Berufssoldaten seit 2016 bis 2019 um rund 9.000 auf 175.300 zu erhöhen. Aktuell sind es wieder etwa 1.000 weniger. Die nackten Zahlen spiegeln zudem nicht zwangsläufig die Realitäten in der Truppe ab. Denn die zur Verfügung stehenden Soldaten müssen auch auf den richtigen Dienstposten sitzen, sprich über die benötigte Qualifikation verfügen. Ein Panzergrenadier ist eben kein Kampfpilot.
Eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums versichert auf Anfrage, dass die Bundeswehr nach wie vor als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werde. Trotz wachsender Konkurrenz am Arbeitsmarkt und pandemiebedingter Einschränkungen in der Personalgewinnung sei der Personalkörper im Vergleich zum Vorjahr nahezu stabil geblieben. Aber von einem Aufwuchs kann eben auch keine Rede sein.
Im Jahr 2021 gingen rund 36.000 Bewerbungen für eine Laufbahn als Soldat auf Zeit (SaZ) bei der Bundeswehr ein, so viele wie im Vorjahr. Im "Vor-Pandemie-Jahr" 2019 waren es allerdings rund 42.000 Bewerbungen. "Bei der Anwerbung für den Freiwilligen Wehrdienst (FWD) verzeichneten wir 2021 mit 13.200 ein Plus von rund Prozent gegenüber 2020", erläutert die Ministeriumssprecherin. Mit insgesamt rund 16.600 Einstellungen bei Zeitsoldaten und Freiwillig Wehrdienstleistenden im Jahr 2021 habe man das Vorjahresniveau nahezu halten können. Dank fokussierter Personalgewinnungsmaßnahmen, hybrider Ansprechmöglichkeiten und digitaler Kommunikationsangebote sei es gelungen, den Personalbedarf beispielsweise bei der Luftwaffe 2021 gegenüber 2020 deutlich erfolgreicher zu decken. Bei der Marine hingegen bleibe die Personalbedarfsdeckung herausfordernd und stehe daher im besonderen Fokus der zuständigen Fachleute. Im Bereich Cyber/IT hätte trotz der coronabedingten Einschränkungen 2021 erneut eine über alle militärischen Laufbahnen hinweg gute Personalbedarfsdeckung erreicht werden können. Die Digitalisierung in der Personalgewinnung käme gerade bei dieser Zielgruppe sehr gut an........
Volltext: Das Parlament, 28. März 2022, Sonderthema Fachkräfte
von Roger Töpelmann
Berlin, 07.03.2022
Um die Einsatzbereitschaft der Truppe ist es nicht gut bestellt. Die Bundeswehr muss Antworten auf den Personalaufwuchs und die Alterung ihres Personalkörpers finden. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC 2022) im Februar für die Bundeswehr festgestellt: „Wir haben uns verändert, wir sind offener geworden… Wer sich bei uns einbringt, kann sich darauf verlassen, dass das eine Bundeswehr ist, die auch Werte lebt, für die wir kämpfen.“ Die ideellen Worte hör‘ ich wohl, möchte man beipflichten, doch für einen Aufwuchs der deutschen Streitkräfte fehlte bislang noch immer ein entschlossener politischer Wille. Der Russische Krieg gegen die Ukraine hat aktuell in Deutschland einen Realitätsschock ausgelöst und die jüngsten Ankündigungen von Bundeskanzler Scholz im Deutschen Bundestag sehen tatsächlich danach aus, als sei die neue Regierung klar zu einer Umkehr in der Verteidigungsausstattung entschlossen.
Positiv bleibt: Schon Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte die Refokussierung der Landes- und Bündnisverteidigung in Gang gebracht. In einer Grundsatzrede an der Universität der Bundeswehr in München warnte sie bereits im Jahr 2020 vor der Aus-, ja Aufrüstung Russlands. Das strategische Gleichgewicht und die nukleare Balance in Europa würden dadurch empfindlich gestört. Übrigens hatte AKK, wie sie militärisch kurz genannt wurde, 2021 fünftausend Gefechtshelme neuer Version für Spezialkräfte beschafft, dieselbe Anzahl wie sie jüngst von Außenministerin Annalena Baerbock an die Ukraine in älterer Version wieder verschenkt wurden und vor wenigen Tagen vor Ort angekommen sein sollen.
Im Bundesministerium der Verteidigung (BMVg)in Berlin sagt eine Sprecherin, die Bundeswehr werde nach wie vor als attraktive Arbeitgeberin wahrgenommen. Trotz wachsender Konkurrenz am Arbeitsmarkt und pandemiebedingter Einschränkungen in der Personalgewinnung blieb der Personalkörper der Bundeswehr zum Stichtag Ende Januar 2022 mit 183.758 Soldatinnen und Soldaten im Vergleich zum Vorjahr nahezu stabil. Die Zahl zeigt aber, wie schwer es der Bundeswehr fällt, über die aktuellen Bewerberzahlen hinauszukommen.... weiterer Text auf Anfrage: ropresse@web.de
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